Sind Goldrute, Knoblauch, Bärlauch, Johanniskraut, Mistel giftig für Pferde?
Christof Thalhofer und Christa Malcher am 26.05.2017
Schauen wir mal. Also mal eben bei Google eingeben: „Knoblauch giftig f“. Die Suchmaschine schlägt vor: „für Pferde“, „für Hunde“, „für Katzen“. Und los! Auf geht’s zu den Wahrheiten und Mythen im Internet. Man kann einen ganzen Tag damit verbringen, Webseiten zu (be-)suchen, die Pflanzen für giftig erklären, die für unsere Pferde eigentlich gesundheitsfördernd sind. Aber ist da wirklich etwas dran? Sind Goldrute, Knoblauch, Bärlauch, Mistel, Ackerschachtelhalm, Johanniskraut und weitere Kräuter für Pferde wirklich giftig?
Was ist Gift?
Wenn es um Gift geht, ist natürlich das Zitat von Paracelsus von 1538 das Maß der Dinge und eine noch immer unbestrittene Weisheit:
„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift;
allein die dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.“ 1
Als wir vor etlichen Jahren das erste Mal nach der angeblichen Giftigkeit von Bärlauch recherchierten, sprachen wir mit dem damaligen Leiter der Schweizer Giftdatenbank des Institutes für Veterinärpharmakologie und -toxikologie in Zürich 2. Der Mann war gar nicht so glücklich über die diversen Interpretationen der in seinen Datenbanken gesammelten Fakten. Denn in seinen Datenbanken waren auch solche Dinge wie Wasser (13 Liter ist die letale Dosis für Menschen), Safran oder auch Knoblauch aufgelistet und alleine die Tatsache, dass viele Genussmittel des täglichen Gebrauchs in den Giftdatenbanken zu finden waren, führten zu etlichen presse- und internetweiten Fehlinterpretationen. Der Mann hatte viel Arbeit mit Klarstellungen. Die wichtigste: Nahezu jeder Stoff ist giftig, ab einer bestimmten Dosis. Die Dosis macht das Gift und daher wird in den Giftdatenbanken von der minimalen Dosis gesprochen, ab der toxische (giftige) Erscheinungen zu beobachten sind. Das muss der Mann immer und immer wieder erklären …
Vorläufiges Fazit:
Gift ist immer eine Sache der Menge, was in kleiner Menge gut tut, wird sehr wahrscheinlich in großer Menge schaden. Aber es kommt eben immer auf die Menge an.
Nun wollen wir selbst auch ein paar Klarstellungen abgeben, in diesem Fall zu Kräutern und Pflanzen, die wir selbst (aus guten Gründen) in unseren Kräutermischungen verwenden:
Knoblauch
Getrockneter Knoblauch kann für ein Pferd mit etwa 500 kg Körpergewicht ab einer täglichen Gabe von 100 Gramm gefährlich werden, wenn man ihn einige Wochen geben würde. Weil Knoblauch Allicin enthält (Aminosäure Alliin), N-Propyldisulfid und Natrium-Propyl-Thiosulfat, kann bei solch hohen Gaben Durchfall, Gelbsucht oder Anämie auftreten. Auch die Magenschleimhäute können bei magenempfindlichen Pferden gereizt werden.
Bei einer täglichen Gabe von circa 30 Gramm kann ein Großpferd hingegen von den gesundheitsfördernden Stoffen des getrockneten Knoblauch profitieren, wenn man ihn einige wenige Wochen oder wenige Monate im Jahr verfüttert. Da Knoblauch viel Schwefel enthält, wird er gerne zur Blutreinigung gegeben, zum Beispiel bei Hauterkrankungen. Auch bei Husten kann man Knoblauch verabreichen, da er schleimlösend und antibakteriell ist. Bei Zecken- und Milbenbefall oder Hautpilz ist er ebenfalls gut geeignet.
Johanniskraut
Frisches Johanniskraut soll bei einer täglichen Menge von 2 kg für ein 400kg-Rind giftig sein, weil es die Lichtempfindlichkeit der Haut erhöhen kann (Photodermatitis). Da Pferde eine etwas höhere Hautempfindlichkeit als Rinder haben, sollte man es an Pferde nur in kleinen Mengen geben und es sollte selbstverständlich nicht dauerhaft verabreicht werden.
Aber: 20-30 Gramm getrocknetes Johanniskraut pro Tag sind für ein 500-kg Pferd eine Menge, die nicht zu gesundheitlichen Schäden führen kann. Zudem hat getrocknetes Johanniskraut das Hypericin, welches die Hautlichtempfindlichkeit auslösen könnte, durch die Trocknung bereits zu 80 Prozent verloren. Wenn das Johanniskraut also in niedriger Menge nur wenige Wochen im Jahr gegeben wird, ist man immer auf der sicheren Seite. Gegeben wird Johanniskraut bei Nervenreizungen, Nervenentzündungen und zur Beruhigung bei nervösen und aufgedrehten Pferden.
Ackerschachtelhalm / Zinnkraut
Ackerschachtelhalm (aka Zinnkraut), nicht zu verwechseln mit dem giftigen Sumpfschachtelhalm, soll ebenfalls giftig für Pferde sein, da es neurologische Störungen, Abmagerung und Durchfall auslösen kann. So können eine tägliche Gabe von circa 2 kg getrocknetem Ackerschachtelhalm nach etwa 40 Tagen zu Vergiftungserscheinungen bei einem 500 kg schweren Pferd führen, da die Pflanze in diesen Mengen den Thiamin- oder Vitamin B1-Gehalt im Blut deutlich senken können.
Erhält ein Großpferd für wenige Wochen oder Monate im Jahr täglich circa 20-30 Gramm getrockneten Ackerschachtelhalm, so treten jedoch deutlich gesundheitsfördernde Wirkungen ein. Man kann den Ackerschachtelhalm an Pferde verabreichen bei Hauterkrankungen, zur Festigung der Knochen und zur Kräftigung des Bindegewebes der Tiere.
Mistel
Auch die Mistel soll ein schwach giftiges Kraut für Pferde sein, da sie zu Koliken, Atemnot und zu einem gestörten Zusammenwirken der Bewegungsmuskulatur führen kann. Langfristige und hohe Gaben des Mistelkrautes sollen zu Beschwerden der Pferde führen, weil es schädliche Viscotoxine enthält. Doch auch hier kommt es auf die Menge an.
In der Literatur gibt es über die Fütterungsmengen für Pferde unterschiedliche Angaben. Kleine Gaben von täglich 15- 30 Gramm getrocknetem Mistelkraut sind für wenige Wochen für ein 500 kg Pferd sicher unbedenklich. Die Mistel wird traditionell bei Geschwulsterkrankungen und zur Stärkung des Immunsystems verwandt.
Bärlauch
Bärlauch soll für Pferde ebenfalls giftig sein. Da Bärlauch Allicin enthält (Aminosäure Alliin) , N-Propyldisulfid und Natrium-Propyl-Thiosulfat, kann Bärlauch Durchfall, Gelbsucht , Magenschleimhautreizungen oder Anämie auslösen, wenn man es in hohen Mengen (100 Gramm und mehr pro Tag über längere Zeit) verfüttern würde.
Wird Bärlauch in sehr kleinen Mengen gegeben, zum Beispiel täglich circa 20 bis 30 Gramm des getrockneten Krautes für ein 500 kg Pferd für wenige Wochen im Jahr, so ist dies sehr zuträglich für ein Pferd. Bärlauch wird gerne zur Blutreinigung und Entgiftung bei Hauterkrankungen gegeben, die Pflanze kann Schwermetalle an sich binden, die dann durch den Körper ausgeschieden werden. In den Deganius Kräutermischungen ist Bärlauch so dosiert, dass ein Pferd pro Tag etwa drei bis fünf Gramm zu sich nimmt.
Goldrute
Auch Goldrute soll für Pferde giftig sein, da es schädigende Saponine enthält. Bei intravenösen Injektionen können diese zur Zerstörung der roten Blutkörperchen führen. In vitro (im Reagenzglas) sollen Saponine auflösend auf die Blutplättchen wirken, allerdings nur bei extrem hohen Mengen. Bei oraler Aufnahme können möglicherweise die Magen-Darm-Schleimhäute gereizt werden.
Dagegen: Als gesundheitsfördernde Menge Goldrutenkraut für die orale Aufnahme sind täglich 20-30 Gramm pro 500kg Pferd zu nennen. Das Goldrutenkraut soll natürlich nicht ständig verfüttert werden, sondern nach Bedarf für wenige Wochen, damit es seine bekannte Heilwirkung entfalten kann. Goldrute kann zum Beispiel bei Harnwegserkrankungen verabreicht werden. Es wird auch zur Kräftigung und Entgiftung der Nieren eingesetzt.
Jetzt aber wirklich das Fazit
130 Gramm Safran sind die tödliche Menge für einen Menschen. Aber wer würde freiwillig 130 Gramm Safran essen wollen? 10 Kilogramm Zwiebeln jeden Tag sorgen bei einem Pferd für Blutarmut. Aber welches Pferd würde freiwillig wochenlang jeden Tag 10 Kilo Zwiebeln essen? Nur ein extrem ausgehungertes …
Wer sich bei der Beurteilung der Giftigkeit von Kräutern und Pflanzen für Pferde von einem automatischen Reflex leiten lässt, liegt praktisch immer falsch. Nein, Goldrute ist nicht giftig. Goldrute im Übermaß ist giftig! Und so gilt das auch für die anderen Pflanzen, die wir hier besprochen haben und für viele weitere ebenso.
Die Beurteilung und der Einsatz der Pflanzen in der Pferdefütterung erfordert Erfahrung und Wissen. Wenn Sie sich selbst ein Bild machen wollen, hier können Sie sich informieren:
Quellen:
Gessner/Orzechowski (Verlag Carl Winter, Universitätsverlag Heidelberg):
Gift-und Arzneipflanzen in Mitteleuropa
Reichling/Gachnian/Frater/Saller/Widmaier (Springer Verlag):
Heilpflanzenkunde in der Veterinärpraxis
Gachnian/Assenow (WBV Biologisch-Medizinsche Verlagsgesellschaft):
Heilpflanzen in der Veterinärmedizin
Ludwig Kofler (Verlag Julius Springer):
Die Saponine
Fußnoten:
Bildquellen
- Fohlen steht in Wiese mit Johanniskraut: fotolia_55284887